Kein Einheitsbrei

Die m&i-Fachkliniken Hohenurach bieten Patienten mit Dysphagie spezielle Therapien und einen abwechslungsreichen Speiseplan

Ein Grillabend oder Restaurantbesuch mit Freunden, ein romantisches Dinner mit einem besonderen Menschen – dazu leckere Speisen und Getränke. Klingt das nicht wunderbar? Essen und Trinken erhält nicht nur das Leben, sondern trägt auch einen großen Teil zu unserem Wohlbefinden bei. Wichtiger Bestandteil hierbei – der Schluckakt. Für viele eine Nebensache. 
Der Akt ist ein durch Muskeln kontrollierter Körpervorgang, der dazu dient, Speisebrei von der Mundhöhle zum Magen zu befördern. Für einen erfolgreichen Schluckakt muss der Nasenrachenraum verschlossen sein und der Kehlkopf durch die Epiglottis, also den oberen Teil des Kehlkopfs, geschlossen werden. Dies macht unser Körper automatisch. Doch was passiert eigentlich, wenn dieser Schluckakt gestört ist? Bei Menschen, bei denen durch ihr Alter, Behinderung oder Krankheit, wie z. B. durch einen Schlaganfall oder andere neurologische Krankheiten, die Fähigkeit, zu schlucken, abhandengekommen ist.
Das „Abdichten“ der Luftröhre klappt nicht mehr. Die Gefahr zu ersticken oder einer schweren Lungenentzündung können die Folge sein. Auch Gewichtsverlust, Austrocknung und Mangelernährung sind Folgen einer Schluckstörung.

Therapie in den m&i-Fachkliniken Hohenurach

Das Schlucken muss neu erlernt werden. „Der Schluckakt ist ein komplexer Vorgang, bei dem viele verschiedene Nerven und auch Muskeln aktiv werden. Bei Gesunden läuft der Vorgang mehr oder weniger automatisch und 600 bis 2000 mal pro Tag ab. Bei unseren Patienten ist das nicht so“, sagt Julia Pischel, Leitende Logopädin in den m&i-Fachkliniken Hohenurach. „Die Ziele, die wir mit unserer spezialisierten Therapie verfolgen, sind vielfältig: Von der Förderung der oralen Nahrungsaufnahme, um eben Gewichtsverlust und Austrocknung entgegenzuwirken, über die adäquate Ernährung, um die Mangelernährung zu verhindern, bis hin zum Schutz der Atemwege und der Wiederherstellung und Erhaltung größtmöglicher Lebensqualität“, erzählt die 25-jährige Logopädin.
Zu Beginn des Klinikaufenthaltes wird eine Untersuchung durch das logopädische, sprachtherapeutische Personal der Fachkliniken Hohenurach vorgenommen, um die Schwierigkeiten bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme genau festzustellen. Anschließend erfolgt eine logopädische Empfehlung mit einer an die Schluckstörung angepassten Kostform und Flüssigkeitsstufe. 
In der Therapie wird die beeinträchtigte Gesichts-, Zungen-, und Rachenmuskulatur behandelt und trainiert. Zudem wird nach Ersatzstrategien und Hilfen gesucht, die das Verschlucken vermeiden oder zumindest vermindern helfen. Dies findet sowohl in Einzeltherapie als auch in Gruppentherapie statt. Verändern oder verbessern sich die Verhältnisse beim Schlucken, kann die Kostform sowie die Flüssigkeitsstufe schrittweise aufgebaut werden.

Kostformen

Die Lebensmittelauswahl muss an das jeweilige Ausmaß der Störung angepasst werden. Die passende Konsistenz richtet sich nach der Fähigkeit, die Nahrung selbst zu zerkleinern und zu schlucken. Anhand der unterschiedlichen Stufen werden die Betroffenen – im Optimalfall – wieder Schritt für Schritt an Normalkost herangeführt. 
In den Fachkliniken Hohenurach wird zwischen drei Schluckkostformen (SKF) unterschieden. Die Schluckkostform d sind komplett passierte Nahrungsmittel, die zu einem sehr feinen Brei verarbeitet wurden und kein Kauen erfordern. SKF c ist vorwiegend pürierte oder zerdrückte Kost, die sich leicht kauen lassen, wie z. B. ein Brot ohne Rinde mit einem homogenen Aufstrich. In der nächsten Stufe darf dann schon weiches Brot mit Rinde und einem Schnittbeleg, z. B. Wurst, gegessen werden. Harte, krustige oder zähe Speisen werden aber auch hier vermieden.
Bei der Flüssigkeitsaufnahme wird zwischen normalen, nicht angedickten und leicht angedickten oder natürlich gedickten Flüssigkeiten unterschieden, die die Patienten zu sich nehmen. „Grundsätzlich gilt: Bei einer bestehenden Schluckstörung darf den Dysphagiepatienten nie Nahrung oder Flüssigkeit gegeben werden, die nicht nach logopädischer Einschätzung oder vom medizinischen Personal empfohlen wurde“, so Julia Pischel.

Kein Einheitsbrei

„Wenn man unsere Patienten fragt, was sie in den Akutkrankenhäusern bekommen haben, dann ist dies eigentlich immer nur Kartoffel- und/oder Grießbrei. Daher haben wir uns dazu entschlossen, unseren Patienten mit Schluckstörungen etwas ganz Spezielles anzubieten. Eben keinen Einheitsbrei mehr“, sagt Sabrina Neher, Küchenleiterin und gelernte Diätassistentin in den m&i-Fachkliniken Hohenurach.
„Unsere Küchenleitung hat sich zusammen mit den Diätassistenten in das Thema „Dysphagie“ wirklich wahnsinnig gut eingearbeitet und den Speiseplan dementsprechend angepasst und erweitert“, freut sich Logopädin Julia Pischel.
Die Zusammenstellung der Menüs erfolgt immer in enger Zusammenarbeit zwischen Diätassistenten, Logopäden und der Küchenleitung. Neue Gericht werden in jeder Schluckkostform intensiven Tests durch das Fachpersonal unterzogen, bis es diese letztendlich auf den Menüplan schaffen. So kann es sein, dass auch Dsyphagiepatienten der SKF d die Speisen bekommen, die auch die anderen Patienten in nicht pürierter Form erhalten. Dies kann z. B. Hähnchenbrustfilet mit Bärlauch-Rahmsoße und Spinat-Kartoffelpüree oder Fisch an Tomatensoße mit Kohlrabi sein. „Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Nahrungszubereitung natürlich auch eine Rolle und wir bieten beispielsweise Kompott oder andere Süßspeisen in Glasschälchen an und decken diese mit einem passenden Deckel ab. In der Vergangenheit wurde dafür Klarsichtfolie genommen. Mit der Veränderung kann man nun deutlich Abfall vermieden und die Patienten haben es bei der selbstständigen Nahrungsaufnahme leichter“, lächelt die Küchenleiterin Sabrina Neher.

Bereits vor einigen Jahren wurde das Frühstücksangebot durch das sogenannte Timbal-Brot erweitert. Ein sehr weiches Brot, das sich im Mund fast schon von selbst auflöst. Zuletzt erarbeiteten die Dysphagie-Spezialisten ein Müsli, dass bei jeder Schluckkostform angeboten wird. Bei SKF d handelt es sich zum Beispiel um komplett pürierte Haferflocken und Apfelmus. Die Brei- und Puddingvariationen wurde ebenfalls deutlich ausgebaut. Gewählt werden kann aus einem normalen Grießbrei über einen Schoko-Mandel-Brei bis hin zu Schoko- oder Mokkapudding. Bei den Brotaufstrichen werden auch immer wieder neue Möglichkeiten ausgetestet. Die Diätassistenten geben sich sehr viel Mühe, den Speiseplan der Patienten mit Schluckstörungen so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. „Wir haben ja auch keine Lust, täglich Suppe und Brei zu essen“, sagt Neher. Bei der Zubereitung muss die Küche natürlich auch auf weitere Problematiken wie Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien der Patienten achten. „Wir gehen auf jeden Patienten individuell ein“, so die Küchenleiterin weiter.

Und diese Mühe schmeckt man. Sagen zumindest viele Patienten. „Wir bekommen immer wieder Rückmeldungen, dass die Speisen, auch wenn alles püriert ist, geschmeckt haben. Und das treibt einen immer wieder an, neue Kreationen zu kochen“, erklärt Sabrina Neher.

Zurück ins Leben

Was für die Küche die Rückmeldung über den Geschmack der Speisen ist, ist für die Logopäden der Weg zur Genesung der Patienten. „Wir hatten eine Patientin mit Trachealkanüle, die über einen nasogastrale Sonde ernährt wurde. D.h. sie wurde künstlich ernährt, konnte weder essen noch trinken. Durch unsere intensiven Therapien haben wir es geschafft, die Patientin von der Nasensonde zu entwöhnen und über die Schluckkostform d also den pürierten Speisen, bis zur SKF C zu bringen. Das war für uns aber auch für die Patientin ein riesen Erfolg. Solche Geschichten freue mich persönlich sehr. Darum arbeite ich hier so gerne: Man ist an der Erfolgsgeschichte der Patienten direkt beteiligt und sieht die Entwicklung zurück ins Leben“, sagt Logopädin Julia Pischel abschließend.

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